„Fragen Sie Ihren Hausarzt?“ Von wegen!
Wenn im Fernsehen über Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Corona, der Impfung oder der Ansteckungsgefahr gesprochen wird, kommt am Ende immer der etwas
betuliche Rat von Virolog*innen oder Politiker*innen „Aber wenn Sie da noch unsicher sind, fragen Sie einfach Ihren Hausarzt!“ Ich weiß nicht, welche Hausärzte Virolog*innen oder Politiker*innen haben oder kennen, aber meinen Hausarzt zu fragen, ist ein ebenso gut gemeinter wie völlig nutzloser Rat. Hausärzte haben keine Zeit, nach mir warten noch weitere gefühlte 100 Patient*innen. Beratung wird nicht bezahlt. Und ein Gespräch über meine Sorgen und Ängste nimmt einfach zu viel Zeit in Anspruch.Mein Hausarzt hat keine Zeit. Oder er nimmt meine Sorgen nicht ernst. Oder er drückt mir eine Visitenkarte eines anderen Facharztes oder einer Anwältin in die Hand, denn die könnten mir mit Sicherheit sehr guten Rat geben zu diesem Thema. Er könne das nicht.
Nur, damit es zu keinen Missverständnissen kommt: Ich mag meinen Hausarzt, er ist ein wirklich netter, junger Mann. Er schickt mir die erforderlichen Rezepte immer per Post, was mir einen Besuch bei ihm erspart. Ihm natürlich auch. Bei jedem Ultraschall, den er sehr gerne macht, er hat auch immer so ein Gerät in seinem Zimmer stehen, erklärt er mir jedes Mal, dass ich ein Herz wie ein junges Mädchen habe. Auch in meinen Arterien (oder Venen?) gibt es überhaupt keine Ablagerungen. Auch die sind
wie bei einem jungen Mädchen. Wer es noch nicht weiß, ich bin kein junge Mädchen mehr, ich werde im August 77 jähre alt. Wenn man mir also sagt, dass ich ein Herz wie ein junges Mädchen habe, dann ist das vermutlich etwas Gutes. Wobei von mir aus mein Herz gern etwas älter sein könnte, wenn ich noch das Aussehen eines jungen Mädchens hätte.
„Fragen Sie Ihren Hausarzt?“ Von wegen!
Welcher Hausarzt hat oder nimmt sich die Zeit, um in Ruhe mit seinen Patientinnen etwas zu besprechen? Meiner auf jeden Fall nicht. Meistens sitzen er und ich uns nach der sehr höflichen Begrüßung am Tisch gegenüber, er guckt in seinen Rechner, ich gucke ihn an, und er stellt Fragen. Ohne mich anzusehen, natürlich. Meine Antworten gibt er dann in seinen Rechner ein. Das finde ich gut, denn er soll sich ja an das erinnern, was ich ihm sage. „Sonst noch was?“ kommt dann von ihm. Wenn ich sonst nichts mehr habe, dann verabschiedet er mich ebenfalls höflich und ich soll mir dann
vorne am Tresen mein Rezept abholen. Jeder Versuch meinerseits, eine Unterhaltung zu beginnen, wird schnell abgewürgt. Ob er mir denn bei meiner Patientenverfügung helfen könne? Nein, das kann er nicht, schnell holt er eine Visitenkarte einer Anwältin aus seine Schublade und reicht sie mir. In allen Ratgebern, auch in denen des Bundesjustizministeriums, wird geraten, man solle sich bei der Patientenverfügung unbedingt mit seinem Hausarzt absprechen. Nicht mit meinem. Es sei mit meiner Hüfte (Arthrose) immer schlimmer, frage ich, ob er mir denn zu einer Operation raten würde? Da kenne er sich überhaupt nicht aus, das sei eine Frage für den Orthopäden. Ja, aber ich dachte nur, dass er vielleicht von seinen anderen Patientinnen gehört habe… Nein, hat er nicht.
„Fragen Sie Ihren Hausarzt?“ Von wegen!
Sonst noch was? Ich wage mich an ein aktuelles Thema: Corona. Ob ich mich denn impfen lassen solle? Auf jeden Fall. Was er denn von dem Vakzin von AstraZeneca halte, man höre doch so viel… Völlig unbedenklich, einfach darauf warten, dass ich ein Impfangebot bekäme, dann dorthin und impfen lassen. Wie er das denn mit den Nebenwirkungen einschätze… Mein Hausarzt ist Internist, er sollte also etwas dazu sagen können. Das sei alles völlig unbedenklich, ein paar Tage eine kleine Schwellung an der Impfstelle. Kein Problem. Sonst noch was? Ich habe ihn sogar
unvorsichtigerweise einmal nach dem Thema Sterbehilfe gefragt, da kam aber nur eine hochgezogene Augenbraue und ein striktes „Er sei dagegen!“
Einmal hat er mir sogar den Hinweis, ich können das doch noch mal im Internet nachlesen. Was? Er, der mir jedesmal, wenn ich erwähne, dass ich etwas im Internet gelesen habe, sofort über den Mund fährt und mir entgegenhält, dass ich das doch einfach sein lassen solle, denn im Internet stünde so viel Unsinn. Und ich würde das ja ohnehin nicht verstehen, sagt er nicht, denkt er aber. Jetzt soll ich etwas im Internet nachlesen? Interessant.
„Fragen Sie Ihren Hausarzt?“ Von wegen!
Wenn ich jetzt angesichts der neuen Erfahrungen mit AstraZeneca doch noch einmal um einen neuen Termin bitte, dann bekomme ich den Termin in drei Monaten. Es kam schon vor, dass ich einen Termin vor langer Zeit bei ihm gemacht hatte und als ich dann vor ihm saß, wusste ich gar nicht mehr, was ich ihn fragen wollte. Denn die Symptome waren natürlich inzwischen auch längst verschwunden.
Nein, ich gebe auf. Er hat keine Zeit für meine Sorgen und Bedenken. Er kann mir auch keinen Rat geben. Er bekommt ja auch nur € 35 für mich für das ganze Quartal,
sagt meine Freundin, deren Sohn auch Arzt ist. Stimmt, da kann man keine Gespräche verlangen. Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass ich das letzte Mal vor zwei Jahren bei ihm war. Er bekommt aber immer meine Karte zum Abrechnen, jedes Quartal. Ich kann also sein Budget nicht besonders stark belasten.
„Fragen Sie Ihren Hausarzt?“ Von wegen!
Aber, das fügt er nun doch noch an, wenn ich ein wenig warten wolle, dann könne ich mich ja auch bald bei ihm impfen lassen. das sei ja auch unkomplizierter für mich. Wieso ist das unkomplizierter für mich? Der Senat von Berlin zahlt mir das Taxi hin und zurück von meinem Impfzentrum, aber nicht zu meinem Arzt. Ich denke auch, dass ich beim Impfzentrum eine festen Termin habe und weniger lange warten muss. Bei meinem Arzt habe ich auch immer einen festen Termin, was aber, wie alle wissen, dennoch bedeuten kann, dass ich eine Stunde warten muss.
Überhaupt: Ich habe mich schon oft bei ihm impfen lassen, meistens ging es um die Grippeimpfung, manchmal war es auch etwas gegen Pneumokokken oder eine
Tropenkrankheit. Aber doch nicht von ihm! Er hat mich noch nie geimpft, das waren immer freundliche jungen Damen – Impfassistentinnen? -, die diese Aufgabe durchgeführt haben. Ein bisschen unfreundlich überlege ich, ob sein Gewinn bei der Coronaimpfung ebenso hoch ist wie der Gewinn, den die Apotheker beim kostenlosen Verteilen von Masken hatten. Das konnte man ja in den Nachrichten hören und, vor allem, im Internet lesen.
Aber, das wissen wir ja, im Internet seht immer nur Unsinn.
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