Mein Corona-Tagebuch: Nichteinfach, motiviert zu bleiben
Zu Anfang der Corona-Krise habe ich groß getönt, dass mir das alles gar nichts
ausmacht. Ich bin ohnehin gerne zu Hause, ich fühle mich nicht einsam, für mich wird sogar eingekauft – herrlich! Aber jetzt nach 4, 5 oder sechs Wochen, ich weiß gar nicht mehr wie lange es her ist, merke ich, dass diese Corona-Krise auch an meinen Nerven zerrt. Auch wenn ich sonst gar nicht nach draußen möchte, auch wenn ich gar nicht so gerne einkaufen, es ist doch nicht schön, gar nichts mehr zu können dürfen oder auch, wenn ich mal runter zur Post gehe, niemanden vor dem Kaffee oder der kleinen Salumeria sitzen zu sehen, vor einem Teller mit leckeren Spaghetti.
Mein Corona-Tagebuch: Nicht einfach, motiviert zu bleiben
Es gibt noch etwas anderes, was mich im Moment nicht nur besorgt, sondern auch traurig macht: Wenn ich sehe oder höre, wie viele Menschen wirklich existenziell von
dieser Krise bedroht sind. Natürlich sind das zum einen diejenigen, die wirklich krank werden oder gar sterben. Aber es sind auch viele andere Menschen, die von diesem Lockdown schwer eingeschränkt sind. Es wird ja viel über die alten Menschen gesprochen, die jetzt nicht mehr in ihrem Heim besucht werden können. Auch Enkelkinder können ihre Großmutter oder Großvater nicht mehr besuchen. Auch das kann traurig machen. Aber dann gibt es ja auch noch die vielen vielen Menschen, die wirklich existenziell betroffen sind, die tatsächlich ihre ganze finanzielle Basis schon riskiert haben oder noch riskieren werden, wenn das Lockdown noch länger anhält. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was mit all diesen Menschen nach Corona passieren wird.
Mein Corona-Tagebuch: Nicht einfach, motiviert zu bleiben
Es ist für mich kaum erträglich, den vielen Menschen zuzuhören, die mit ihrem
Kurzarbeitergeld die Familie nicht mehr ernähren können. Oder auch die vielen Solokünstler, die aus einem mir nicht verständlichen Grund aus dem staatlichen Hilfen herausfallen, und die jetzt voller Verzweiflung sind. Gestern kam mir die Tränen, als ein Schausteller gezeigt wurde, der gerade sehr viel Geld in ein neuen Bau investiert hatte, und der selbst in Tränen ausbrach, weil er und seine Frau sich vor dem Ruin sahen, weil sie die monatlichen Raten nicht mehr zahlen konnten. Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die sagen, dass man sich doch diese niederziehenden Nachrichten nicht immer ansehen sollte. Ich will mir das aber ansehen, weil ich immer daran erinnert werden möchte, das ist mir im Moment sehr viel besser geht, auch wenn es mich mal ein
bisschen betrübt, dass in meinem schönen Kiez momentan nicht so viel los ist. Ich finde wir sollten es alle wissen, wie sehr und wie unterschiedlich diese Krise viele Menschen betrifft.
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Anfangs habe ich auch gesagt, dass Erschütternde an dieser Krise sei, das sie alle Menschen in gleicher Weise trifft. Inzwischen weiß ich, dass das falsch ist. In den USA trifft es Schwarze mehr als Weiße, Bei uns trifft es Arme mehr als gut Situierte,
alleinerziehende Mütter mehr als Elternpaare, die aufgrund ihres Jobs mit dem Laptop beide zu Hause die Betreuung der Kinder organisieren können. In Großbritannien sterben überproportional viele Ärzte mit Migrationshintergrund. Woran liegt das? Die Quarantäne ist für alte Menschen besser auszuhalten, dir eine schöne Wohnung mit Balkon oder Terrasse haben als für alte Menschen, die in einer kleinen Wohnung ohne Balkon wohnen oder gar in einem Altenheim, In dem sie sich wöchentlich auf den Besuch ihrer Familie gefreut haben. Es trifft medizinische Fachleute, Müllmänner und -frauen, Busfahrer und Fahrerinnen und Lidl-Verkäuferinnen deutlich mehr, als Menschen die im Home-Office arbeiten können. Es trifft Tagelöhner in Indien oder in Südafrika mehr, weil ihre Existenzgrundlage nicht mehr vorhanden ist. Sie haben nichts zu essen und
können auch kein Social Distanzen machen, wenn sie zu viert in einer 12 m² großen Hütte wohnen oder wenn sie ohnehin auf der Strasse schlafen.
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Es ist für Mütter und Väter sicherlich extrem hart, wenn sie versuchen müssen, ihren Beruf und ihre Pflichten und Wünsche als Eltern zu verwirklichen. Es trifft die
Schulkinder härter, die zu Hause keinen Laptop und schon gar keinen Drucker haben, und deren Eltern sich mit diesen Dingen überhaupt nicht auskennen, als Eltern, die die Möglichkeit haben, zu Hause die technischen Voraussetzungen zu schaffen für virtuelles Lernen. Kinder werden vielleicht ihr Leben lang schlechtere Chancen haben, weil sie von dem virtuellen Lernen weniger profitieren als andere Kinder. Und am meisten hat mich die Sendung betroffen gemacht, in der Menschen erzählten, dass sie einfach für ihre Kinder nichts zu essen haben, seitdem auch die Arche in Berlin geschlossen werden musste. Und solche Projekte gibt es überall, auf der ganzen Welt.
Mein Corona-Tagebuch: Nicht einfach, motiviert zu bleiben
Die Corona-Krise zeigt, was ohnehin in unserer Gesellschaft nicht gut läuft: Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens, die schlechte virtuelle Ausstattung von
Schulen oder die geringe Ausbildung von Lehrern in den neuen Medien. Die Tatsache, dass vielen Menschen das Geld für ein lebenswertes Leben fehlt, dass Hartzsätze zu niedrig sind und das die Schwachen in unserer Gesellschaft mit allem zu wenig bedacht werden. Da helfen auch keine zusätzlichen € 150 für einen Laptop. € 150? Kann unsere Regierung gleich mal dazu sagen, woher man einen Laptop für € 150 bekommt?
Wenn man all das Elend um sich herum oder auch in anderen Ländern sieht der hört, ist es nicht einfach, selbst vergnügt und munter zu bleiben. Um mich herum gibt es Menschen, die in eine Depression geraten, denen es nicht gut geht, alte und junge Menschen, Menschen mit einer psychischen Erkrankung, aber auch Menschen, die noch nie eine psychische Erkrankung hatten. Ich selbst bin auch deutlich weniger zuversichtlich, als ich das ansonsten bin. Gegenseitige Unterstützung ist das Einzige, was uns helfen kann.
Mein Corona-Tagebuch: Nicht einfach, motiviert zu bleiben
Das Positive an dieser Situation sind die vielen guten Initiativen, mit denen Menschen versuchen, in dieser Zeit anderen Menschen zu helfen. Ich habe mir überlegt, was ich tun kann, aber ich kann nicht für viele Menschen kochen, ich kann auch nicht
irgendwohin gehen und mithelfen. Daher bleibe ich bei dem, was ich tun kann: Angehörigen von psychisch Kranken telefonisch etwas Mut zu machen. Und schreiben, Und neue Webinare anzubieten. Nein, ich bin gar nicht altruistisch: Es baut mich auf, wenn Angehörige nach unserem Gesprächs sagen, es habe ihnen gut getan und weitergeholfen. So ist es immer, wenn man etwas für andere tut, man hat auch selbst etwas davon.
Mein Corona-Tagebuch: Nicht einfach, motiviert zu bleiben
Und um mich selbst doch etwas zu motivieren, werfen ich jetzt an neuen Webinaren arbeiten, die dann hoffentlich für andere interessant sind. Und werde demnächst mit Lesungen auf Youtube beginnen, abwechselnd aus allen Büchern. Für uns Alte aber vor allem aus meinem neuen Buch. Gefreut hat mich, dass ich schon sehr schöne
Kommentare per Telefon oder Mail, per Facebook oder auch auf Amazon erhielt. Ich weiß, Amazon ist böse, aber die Rezensionen haben mich dennoch gefreut.
Bis bald, bleibt bitte gesund und vor allem motiviert!