Wann kaufen männliche Schriftsteller ein?

Rotwein
Ich wundere mich: Gerade lese ich die Tipps von Henry Miller zum disziplinierten Schreiben. Er hat dazu 10 Gebote und noch ein paar andere Anregungen geschrieben. So etwas lese ich gern. Ich denke immer, dass ich mir vielleicht von berühmten Schriftstellern etwas abgucken könnte. Gut, ich werde dann nicht gleich Henry Miller, aber ein bisschen kann man doch sicher von erfolgreichen Schriftstellern lernen. Routine, Disziplin, Geduld. So etwas eben. Aber eine Frage bleibt: Wann kaufen männliche Schriftsteller ein?
Vielleicht interessiert es auch Euch, daher liste ich seine Anregungen mal auf.
Henry Millers 10 Schreibgebote
- Arbeite immer nur an einem Projekt.
- Fangen Sie nicht mehrere neue Bücher an.
- Nicht nervös sein, arbeiten Sie ruhig, mit vergnügt und unbesorgt.
- Arbeiten Sie nach einem festgelegten Plan, nicht nach Ihrer Stimmung.
- Starten Sie immer an der festgelegten Zeit.
- Wenn Sie nicht kreativ sein können, können Sie dennoch arbeiten.
- Legen Sie jeden Tag ein bisschen fest, denken Sie nicht immer über neue Ideen nach.
- Bleiben Sie menschlich! Treffen Sie sich mit Freunden, gehen Sie in Cafés, trinken Sie etwas, wenn Ihnen danach ist
- Seien Sie kein Arbeitspferd, arbeiten Sie nur mit Vergnügen.
- Vergessen Sie Ihr Programm auch mal einen tag, aber fangen Sie am nächsten Tag wieder damit an.
- Denken Sie nicht an die Bücher, die Sie schreiben wollen. Denken Sie nur an das Buch, das Sie schreiben.
- Zuerst kommt immer das Schreiben. Malen, Musikhören, Freunde, Kino, alles das kommt immer erst danach.
Wann kaufen männliche Schriftsteller ein?
- Arroganter Mann
- Denkender Mann
- Nachdenklicher Mann
- Fernhinsinnender Mann
- Beschäftigter Mann
Dazu sein tägliches Schreibprogramm für jeden Tag
Morgens: Wenn Sie groggy sind, machen Sie Notizen und fügen Sie diese irgendwo ein, nur als Anregung.
Nachmitttags: Arbeiten Sie an dem Abschnitt, der gerade dran ist. Folgen Sie Ihrem Plan absolut genau. Schreiben Sie dieses eine Kapitel auch wirklich zu Ende.
Abends: Treffen Sie sich mit Freunden. Lesen Sie in Cafés. Erkunden Sie Gegenden, die Sie noch nicht kennen, wenn es nass ist, gehen Sie zu Fuß, wenn es trocken ist, nehmen Sie das Fahrrad. Schreiben Sie, wenn Sie in Stimmung sind aber nur an einem weniger wichtigen Abschnitt. Malen Sie, wenn Ihnen nichts einfällt oder Sie müde sind. Machen Sie Notizen, Grafiken, Pläne. Machen Sie Korrekturen. Wann kauft er ein?
Achtung: Nehmen Sie sich ausreichend Zeit während des Tages um mal ein paar Museumsbesuche zu machen, eine kleine Zeichnung oder eine Fahrradtour zu machen. Machen Sie Entwürfe in Cafés, Zügen oder Straßen. Nicht ins Kino gehen. In die Bibliothek nur einmal in der Woche, um nach Literaturquellen zu suchen. Wann kauft er ein?
- Im Café sitzen
- Kater schreibt
- im Café sitzen
- Im Café sitzen
Wann kaufen männliche Schriftsteller ein?
Ich finde, das klingt gut. Das mache ich jetzt auch jeden Tag. Nur ist mir plötzlich aufgefallen, dass es bei ihm überhaupt keine Zeit gibt für den täglichen Einkauf, keine Zeit fürs Wäschewaschen, für das Betten beziehen, Wohnung putzen. Wann kaufen also männliche Schriftsteller ein? Leben Sie nur von Luft und Liebe und ihrem Genius? Haben Sie immer eine Muse, die sie nicht nur küsst und jeden Abend das handschriftliche Gekritzel abtippt, sondern die auch einkauft, putzt und dieses herrliche Boeuf Bourgignon kocht, das er so gern isst?
Sind wir weiblichen Schriftstellerinnen einfach zu blöde, um uns eine männliche oder gern oder sogar noch lieber eine weibliche Muse zuzulegen, die alles das tut, was ich heute getan habe und dass mich vom Schreiben abgehalten hat?
Was habe ich alles gemacht (statt zu schreiben): Eingekauft, um ausreichend Tannenzweige für die Terrasse zu haben, dann diese in allen Töpfen verteilt. In den Keller gegangen und Weihnachtsschmuck hochgeholt. Weihnachtsstrauss gemacht und ihn mit goldenen und roten Kugeln versehen. Reste wieder eingepackt und wieder in den Keller gebracht. Zur Bibliothek gegangen und Bücher abgeholt, die ich dringend brauche (vgl. Millers Hinweis auf ein einmaligen Besuch in der Bibliothek!). Dann habe ich eingekauft, ich brauchte Milch, Kerzen, Eier, Salat, Mozzarella und Gummihandschuhe. Dann habe ich mit der Telekom telefonisch über ein Speedport-Problem gestritten. Dann das gleiche mit Vodafone. Dann eine Thai-Suppe in der Mikrowelle erwärmt und – ich muss es zugeben – gemütlich auf dem Bett die Suppe geschlürft und dabei das schöne Buch Virginia Ironside „The Virginia Monologues – Twenty Reasons Why Growing Old is Great“ gelesen. Wunderbar. Nein, kein Buch zum Schenkelklatschen, sondern ironisch und selbstbewusst geschrieben.
Wann kaufen männliche Schriftsteller ein?
- Tannenzweige
- Salat
- Eier
- Telekom
- Kerzen
Also klar, ich habe auch geschlampt. Aber ich habe auch viel Nützliches getan, das – aus meiner Sicht – einfach getan werden musste. Aber vielleicht sollten wir weiblichen Schriftstellerinnen, – wenn das mit der männlichen oder weiblichen Anregungs- und Einkaufsmuse nicht klappt – uns einfach beschränken? Von männlichen Schriftstellern lernen heißt Siegen lernen!
Ist doch egal, ob das Bett gemacht ist. Wer braucht Kerzen, wenn man elektrisches Licht hat. Weihnachtsschmuck? Dummes Zeug? Essen kaufen? Blödsinn. Hier unten gibt es alles zu essen, was das Herz begehrt: Italienisch, spanisch, japanisch, chinesisch, französisch, noch mal italienisch, vietnamesisch und Türkisch. Und etwas weiter unten bei Witwe Bolte gibt es auch nach 30 Jahren immer noch diese knusprigen Hühnchen mit einer Majonäse, die so fest ist das man sie in Würfelchen schneiden kann. Sehr lecker. Und billig.
Nur das mit Vodafone und mit der Telekom, das kann ich nicht einfach lassen. Aber das war vermutlich noch nicht Henry Millers Problem.
Habe ich deutlich gemacht, dass ich das UNGERECHT finde?!
Bis bald.